Die türkische Präsidentschaftswahl hat naturgemäß auch in Deutschland und Österreich hohe Wellen geschlagen. Nicht nur, weil sich ein autoritär herrschender Präsident noch mehr Rechte zugesteht, Macht gezielt auf sich als Einzelperson fokussiert und sämtliche Gegner mundtot macht, inhaftiert und keine Kritik duldet: Sondern auch, weil hierzulande zahlreiche Türken immer noch wahlberechtigt sind und – obwohl sie in unserem Land leben, hier unser Sozialsystem, unsere Infrastruktur und viele weitere Vorteile unserer Heimat (aus)nutzen – ihr türkisches Wahlrecht nach wie vor wahrnehmen wollen.
Nicht nur Menschenrechtsverletzungen, auch die Aushöhlung der säkularen Republik und antidemokratische Kultur, die sich bis in unsere Heimat ausbreitet, kann man dem Autokraten Erdogan getrost vorwerfen. Dennoch verfügt er in Zukunft über eine absolute Mehrheit in der Türkei: 52 Prozent gaben dem umstrittenen Machthaber ihre Stimme, viel Mobilisierung der Opposition und eine Vielzahl Wahlbeobachter aus dem Ausland konnten daran nichts ändern. Erdogan musste nicht einmal in eine Stichwahl gehen und ist sich seines Amtes mit noch mehr Macht in den kommenden Jahren sicher.
Zu denken geben aber vor allem Szenen von gesperrten Straßen, von Jubelkonvois und Erdogan-Parolen-brüllenden „Austrotürken“ hierzulande. Die Zahlen sprechen für sich: 72 Prozent der in Österreich lebenden wahlberechtigten Türken und zwei Drittel der Deutsch-Türken gaben dem türkischen Machthaber ihre Stimme. Die häufigsten Argumente pro Erdogan sind, dass dieser „mit starker Hand die Zukunft der Türkei auf den richtigen Weg bringe“. Wenn ein Regime, das Kritik im Keim erstickt, Gegner willkürlich verhaften lässt, auch Ausländer inhaftiert und nicht mehr ausreisen lässt, gut für die Zukunft eines Landes sein soll, sind alle Erdogan-Anhänger mehr als herzlich eingeladen, diese Zukunft in ihrem Herkunftsland, nämlich der Türkei, mitzugestalten.
Derart antidemokratische Strömungen, die sich auf unsere Heimat ausbreiten, haben hier keinen Platz! Wer sich bemüßigt fühlt, eine die Menschenrechte verachtende Regierung zu unterstützen, möge auf schnellstem Wege aus Österreich ausreisen und sich aktiv und gestalterisch an der türkischen Zukunft – außerhalb der EU wohlgemerkt – beteiligen.